Interview mit Brigitte.de  
   

"Ich bin eine Mundhure"

Interview: Malte Henk, Juli 2005 im Berliner Hotel Esplanade.
Online unter Brigitte.de von 2005 bis 2006.

Brigitte.de

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Sie ist Deutschlands erfolgreichste Pornoautorin, kaum jemand schreibt so freizügig wie sie. Von sich selbst gibt Sophie Andresky nur ihr Geburtsjahr 1973 preis - und dass sie mit ihrem Mann beruflich Sex hat. Im Juni ist Honigmund erschienen, ihr fünftes Buch. Ein Gespräch über Lieblingswörter, Leserwünsche und den Vorteil, als Frau über Sex zu schreiben.

Brigitte.de: Viele Ihrer Geschichten sind nach ein paar Seiten fertig. Mögen die Leser keinen langen Sex?

Sophie Andresky: Aber meine Sexszenen sind doch lang! Ich komme schließlich schnell zur Sache. Im Leben mag das anders sein - aber Porno-Literatur funktioniert so. Ich habe mal ein Buch gelesen, da hat eine Studienrätin eine Autopanne, ein Traktorfahrer hilft ihr, als Dankeschön gibt sie sich ihm auf der Motorhaube hin. Von mir aus. Aber nach der Sexszene kommen seitenweise Rechtfertigungen! "Du weißt ja, ich bin Akademikerin, eigentlich mag ich sensible Männer, aber das hier war so animalisch, ich tu´s nie wieder." Dieses ganze Lamentieren! Grauenhaft.

Brigitte.de: Sie haben kein Problem damit, Gebrauchsliteratur zu schreiben?

Sophie Andresky: Sowieso nicht. Der Verlag setzt alle Sexszenen mit einem Absatz ab. Nicht weil das Design dann schöner wäre. Sondern damit man die Szenen schneller findet.

Brigitte.de: In denen die Vorgänge recht drastisch beim Namen genannt werden. Sie haben mal gesagt: "Tierische Vorgänge schreien nach einem tierischen Vokabular."

Sophie Andresky: Ich war eine der ersten, die harte Frauen-Pornografie geschrieben haben. Bis vor ein paar Jahren gab es nur Männer-Pornografie, die war direkt, aber auch stereotyp und deswegen oft langweilig. Für Frauen gab es nur diese Entdecke-deine-Klitoris-Geschichten. Da waren dann Blütenkelche, die sich öffneten, und Tau und bebende Luststäbe. Und man wusste nie: Was passiert da eigentlich? Ich wollte in diese Lücke schreiben - harte, witzige Frauen-Pornografie.

Brigitte.de: Sie schreiben aber auch aus Männersicht. Zum Beispiel: "Dieser Körper war dazu gemacht, gefickt zu werden. Von vorne und von hinten, zwischen die Brüste und die Pobacken, sogar in die Achselhöhlen hätte er sie gerne gefickt."

Sophie Andresky: Das ist von mir?

Brigitte.de: Ja. Überrascht?

Sophie Andresky: Nein. Das passiert mir so. Ich hab' ja nicht alles unter Kontrolle.

Brigitte.de: In der Geschichte träumt ein alter Mann vom Sex mit einer Einbrecherin, die gerade in sein Schlafzimmer eingestiegen ist.

Sophie Andresky: Ach genau. Die Einbrecherin lässt sich scheinbar mit ihm ein, dann zockt sie ihn ab, zusammen mit seiner Ehefrau. Sehen Sie, die Männer kommen bei mir oft schlecht weg. Meine Frauen haben ständig multiple Orgasmen. Die Männer machen, was sie wollen. Insofern sind das natürlich Utopien.

Brigitte.de: Ein Wort, das gar nicht geht?

Sophie Andresky: "Titten" - ich mag das Wort einfach nicht.

Brigitte.de: Aber "Möse", "Muschi" und "Ficken" sind in Ordnung?

Sophie Andresky: Ja, absolut. Ich bin eine bekennende Verbalerotikerin. Ich möchte diese Begriffe lesen. Ich möchte sie hören, und ich möchte sie sagen. Und deshalb schreibe ich das so.

Brigitte.de: Welche Technik eignet sich denn gut zum Beschreiben?

Sophie Andresky: Es eignen sich alle Sachen, bei denen viele Sinne gleichzeitig eingesetzt werden. Mehr als drei Personen sind erfahrungsgemäß schwierig. Irgendwann weiß man nicht mehr, welches Knie sich gerade in welchen Rücken bohrt. Ich vertue mich schon mal, und dann schreibt der Verlagslektor an den Rand: Nee, geht nicht - der ist gerade mit seinem Hintern ganz woanders! Ansonsten gilt die Regel: Der gute Protagonist ist bisexuell. Der hat mehr Möglichkeiten.

Brigitte.de: Aber letztlich ist Sex doch die Wiederkehr des Immergleichen. Das merkt man an Ihren Büchern.

Sophie Andresky: So viele Körperteile gibt es nicht. Und so viele Wörter auch nicht. Die Kunst ist, doch noch was anderes zu finden. Die klassische Liebesgeschichte mag doch niemand so oft lesen: Boy meets Girl, guter Sex, fertig. Deswegen diese phantastischen Szenarien. Der plötzliche Sex mit der Barfrau. Oder mit der Einbrecherin. Vieles geht auf eigene Erfahrungen und Phantasien zurück!

Brigitte.de: Eine Figur in Ihrem neuen Buch 'Honigmund' heißt Sophia, ist Schriftstellerin und hat einen Harem mit fünf Männern.

Sophie Andresky: Den habe ich nicht. Leider. Es sind eher so Kleinigkeiten. Ich versuche darauf zu achten, wie es sich anfühlt, einen Knopf aufzumachen. Oder wie sich ein Bauchnabel anfühlt.

Brigitte.de: Das ist ja furchtbar! Sie haben beruflich Sex.

Sophie Andresky: Es gibt Schlimmeres. Für meinen Mann ist es kein hartes Schicksal, mit einer Pornoautorin zusammen zu sein. In manchen Situationen sage ich ihm: Ich weiß nicht, ob du mit deiner Hand da rankommst, wenn ich mich so und so bewege, aber wir müssen das probieren. Und dann gibt es die anderen Geschichten, die ich rational entwerfe und dann überlege: Wo kann der Sex rein? Ich habe da einen großen Vorteil: Ich bin eine Frau. Wenn Sie ein Mann sind und über harten Sex schreiben, können Sie auf den Index kommen. Bei Frauen ist es Emanzipation. Deshalb schreiben manche Männer unter weiblichem Pseudonym.

Brigitte.de: Sie als Frau können eher über Analsex...

Sophie Andresky: Analsex ist eh kein Problem! Eher Sachen, die ein zynisches Menschenbild vermitteln. Sex mit Tieren, Vergewaltigung und so weiter. So etwas kommt bei mir nicht vor - wahrscheinlich würde ich auch als Mann nicht auf den Index kommen. Der Xaver in meinem Harem zum Beispiel, der ist sehr jung. Dieses Drängende, Frische. Aber es ist klar: Xaver ist 18! Er fährt Auto an einer Stelle. Bei mir wird auch immer eingetütet. Sex ohne Kondom gibt's nicht.

Brigitte.de: Einmal wird uriniert.

Sophie Andresky: Das ist das einzige Mal! Ich kriege bis zu 100 Zuschriften pro Woche. Viele Leser haben gefordert, dass mal gepinkelt wird. Ich habe es extra hygienisch gemacht unter der Dusche. Und damit die Frau nicht erniedrigt wird, kommt sie vorher viermal zum Höhepunkt.

Brigitte.de: Die Szene ist genau aufgeteilt: Pro Seite ein Orgasmus.

Sophie Andresky: Das habe ich nicht geplant. Ich selbst mache, wenn ich Bücher kaufe, die Probe: Ich schlage sie an fünf Stellen auf. Wenn an diesen fünf Stellen kein Sex ist, taugt das Buch nichts. Viele sind ganz schlecht.

Brigitte.de: Dann muss man einen Porno gucken.

Sophie Andresky: Wenn Sie ein visueller Typ sind, dürfen Sie das gerne tun. Ich will lesen. Da hat man die Sache im Kopf. Man vögelt selber mit. Man denkt sich dazu, was man gerne möchte. Es ist etwas sehr Intimes, was ich mit den Lesern mache. Wir haben mental Sex miteinander. Deshalb ist es für mich wichtig, anonym zu bleiben und mich mit den Lesern nicht zu treffen. Damit die sich das so vorstellen können, wie sie es gerne hätten. Einmal hat mir jemand einen technischen Tipp für meine Homepage gegeben, als Gegenleistung habe ich ihn in mein Buch eingebaut, er verkauft Massageöl. Wäre so etwas bei einem Pornofilm möglich? Es werden nur diese schönen Körper vorgeführt. Aber man sieht trotzdem, dass Sex nicht ästhetisch ist. Diese Nahaufnahmen! Da erkenne ich nie, was es ist. Alles sieht so schmerzhaft aus und anstrengend.

Brigitte.de: Bei Ihnen ist alles ganz leicht und einfach.

Sophie Andresky: Ich will keine Probleme! Ich bin eine Mundhure, ich erzähle Geschichten, das ist mein Job. Geschichten, die Frauen Spaß machen sollen. Wo man am Ende zufrieden ist, ein Kleenex nimmt, eine raucht, und fertig. Auch nicht schlecht, oder? Das alte Programm: make love, not war. Jemand, der gut gefickt ist, macht nicht so viel Mist wie andere. Gott, ich bin ganz rotbäckig von diesem Gespräch.

   
 
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